Goldschmiede Gassner: Gold schmieden wie in Troja

Toller Beitrag über die Goldschmiede Gassner im Reisemagazin Bregenzerwald …

 

Vor Tausenden Jahren wurde eine bestimmte Technik des Drahtbiegens in Troja angewendet. Gut genug auch für den Bregenzerwald, dachte sich die junge Goldschmiedin Theresa Gassner und fand heraus, wie es geht. Seitdem hütet sie ihr Geheimnis.

 

Quelle: Reisemagazin Bregenzerwald – Ausgabe Winter 2024-25

Zum Beitrag und weiteren Bildern geht es hier

 

Im Mai 2022 fährt eine junge Frau mit dem Zug nach Wien, im Gepäck filigrane Silberdrähte, Granatsteine und einen kleinen Diamanten. Theresa Gassner ist auf dem Weg, Meisterin zu werden. Ihre Geschichte nahm 1934 ihren Anfang: Da eröffnete ihr Urgroßvater Josef Meusburger als Uhrmacher in Großdorf ein bescheidenes Ladenlokal. Tochter Erika führte es in Egg zum Erfolg. Sohn Josef wurde auch Goldschmiedemeister, baute das Geschäft aus, lernte Elisabeth aus Dornbirn kennen, bekam zwei Töchter, Laura und Theresa, und eröffnete 2018 eine zweite Goldschmiede in Bezau.

 

Schon als Kind sah Theresa ihrem Papa auf die Finger, feilte Blech und wusste, was sie werden wollte. Weil es in Vorarlberg zu wenige Goldschmieden gibt, pendelte Theresa nach Steyr an eine HTL auch für Goldschmiede. Acht Stunden brauchte sie von Tür zu Tür. Nach einem Jahr fand sie eine Lehrstelle im deutschen Immenstadt. Mit einem überdachten Mopedauto tuckerte sie über Hittisau und Oberstaufen nach Immenstadt. Dreieinhalb Jahre sägen und feilen, sägen und feilen, sägen und feilen, denn, so abgedroschen es klingen mag: Übung macht die Meisterin.

 

In Wien angekommen, wird ihr eine Werkbank zugewiesen. Während der nächsten drei Tage soll sie in 22 Stunden ein Schmuckstück fertigen. Theresa hat sich etwas Besonderes ausgedacht: Eine Juppenschnalle. Viel Vorarbeit war nötig. Vater und Tochter nahmen alte Schnallen, die zum Restaurieren in ihr Geschäft kamen, unter die Lupe. Die Drähte hatten die Eigenart, schnell anzulaufen. Mit uraltem Handwerk Neues schaffen, das reizt Theresa. Sie eignete sich eine ornamentale Drahtbiegetechnik an, die schon vor Tausenden Jahren in Troja verwendet wurde, ehe sie Seefahrer und Kaufmänner aus dem Orient bis in den Bregenzerwald trugen. Die Gassners tüftelten. Jeder Zehntelmillimeter machte einen Unterschied. Sie fanden eine Lösung.

 

Heute drehen und flechten sie die zierlichen Feinsilberdrähte auf ihre Art und hüten dieses Familiengeheimnis. Um ihr Meisterstück herstellen zu können, hat sich Theresa eine Lehre angefertigt. Damit formt sie einen Rahmen aus sechs Blüten. Sie biegt den Filigrandraht zu schneckenförmigen Linien und setzt ihn ein. Am Ende des ersten Prüfungstages wird das Schmuckstück von der Kommission gestempelt, damit sie es nicht austauschen kann. Der zweite Tag ist kritisch. Theresa muss die Drähtchen an den Stellen, wo sie den Rahmen berühren, löten. Sie schiebt die einzelnen Blüten zusammen. Beim Löten gibt es nur entweder – oder. Eine Sekunde zu lang und die Drähte verschmelzen zu einem Klumpen. Die Zeit drängt. Sie lötet drei Blümchen übereinander. Alles ist schwarz. Eintauchen in Säure. Schleifen. Polieren. Drähte einsprengen. Wieder verlöten. Schnell ein Sandwich essen.

 

Theresa schmiedet einen mechanischen Verschluss und fasst fünf Steine auf drei verschiedene Arten, weinrote Granatsteine, zuletzt ein kleiner Diamant. Um Edelsteine fassen zu können, musste sie eine eigene Ausbildung absolvieren. Punktlandung. Nach dreitägiger Begutachtung wollen die Prüfer wissen, was das ist, eine Juppenschnalle. Eine Juppe ist die Tracht der Frauen im Bregenzerwald, die von Generation zu Generation wandert und selbstbewusst getragen wird. Eine Juppe besteht aus bis zu zwanzig Teilen. Mit der Schnalle wird der Gürtel gehalten. Theresa beeindruckt die Kommission und wird Meisterin.

 

Jede Juppenschnalle, die sie oder ihr Vater für ihre Kundinnen fertigen, ist ein Unikat. Ihre Werkstatt ist exzellent ausgestattet: Ultraschall, Dampfreinigung, Galvanik, Vergoldung, Versilberung, Rhodium, Poliertrommel. Die Gassners geben den Schmuck ihrer Kundschaft nicht aus dem Haus, sondern kümmern sich selbst darum. Sie gießen, schmelzen und legieren. Goldspäne, die während des Feilens anfallen, sammelt Theresa in einem Fell, das auf ihrem Schoß liegt.

 

In der Werkstatt wird nicht gesaugt, nur gekehrt. Der Staub wird gesammelt, eingeschickt und recycelt. Da kommt in einem Jahr ein Päckchen zusammen, das eingeschmolzen wird, um daraus Neues zu machen. Innerhalb der Familie teilen sich die Gassners die Arbeit auf. Zwei Hunde liegen unter drei Werkbänken (schon im Ganzen). Elisabeth übernimmt die Büroarbeiten, Laura ist für Marketing und Verkauf zuständig. Alles wird zu einem kreativen Prozess: vom Schaufensterdekorieren übers Fotografieren bis zum Füttern der sozialen Medien. Wer sich im Bregenzerwald einen Hochzeitsring anfertigen lassen will, verlangt gern nach Theresa Gassner.

 

Sie mag die Abwechslung in ihrem Beruf. Mit einer Skizze auf Papier bringt sie ihre erste eigene Kollektion auf den Weg. Man darf „THERESA“ in der Auslage bewundern. An den schwebend wirkenden Ringen aus 18 Karat Roségold, Weißgold und Gelbgold, an den pinken Saphiren, den schwarz, blau und braun verlaufenden Diamanten erkennt man Theresas Esprit. Sie hält einen Ring ans Licht und lacht: „Nichts funkelt so wie ein Diamant.“

 

Autorin: Irmgard Kramer
Ausgabe: Reisemagazin Bregenzerwald – Winter 2024-25

Deine Meinung