Aus der Geschichte: Als die Cholera in Anmarsch war…
Einleitung & Transkription: Dr. Georg Sutterlüty, Autor und Historiker
Im Sommer 1867 kündigte sich hierzulande die Cholera an. Sie war im 19. Jahrhundert die gefürchtetste Infektionskrankheit. In Italien war 1865 eine Epidemie ausgebrochen, die in zwei Jahren über 128.000 Todesopfer fordern sollte. Damals war der Erreger, die Bakterienart Vibrio cholerae, noch nicht entdeckt gewesen. Dies sollte dem deutschen Mediziner Robert Koch erst 1883 gelingen. Als Träger des Bakteriums stellte man vor allem verunreinigtes Trinkwasser fest. Dies konnte man 1867 allerdings noch nicht wissen. Das hier angeführte behördliche Rundschreiben vom August 1867 an die Vorarlberger Gemeinden ist natürlich im Hintergrund einer nur auf Vermutungen beruhenden Einschätzung der Ursache, des Verlaufs und der Behandlung dieser Krankheit zu sehen. Die Quelle stammt aus dem Bregenzerwald-Archiv und gewinnt in Anbetracht der uns derzeit fest in Griff habenden Corona-Pandemie an besonderer Aktualität. Vorarlberg hatte letztlich Glück: Während die Cholera in der benachbarten Schweiz ausbrechen sollte, blieb das Land von einer Epidemie verschont.
Sanitätspolizeiliche Maßregeln – Rundschreiben an die Gemeinden im August 1867
Polizeiliche Maßregeln zur Hintanhaltung der Cholera und zur Verhütung einer weiteren Verbreitung derselben bei ihrem allfälligen Ausbruche. Nachdem die Cholera in Obertitalien, mitunter ganz nahe an den tiroler Grenzen herrscht und nachdem einzelne sporadische derartige Fälle auch schon in Welschtirol vorgekommen sind, so haben zur Hintanhaltung und – zur Verhütung einer Verbreitung dieser Krankheit, wie auch behufs einer zweckmäßigen Fürsorge für die Erkrankten selbst, folgende Maßregeln in Anwendung zu kommen.
Reinhaltung der Straßen, Plätze, Häuser, Kanäle und Kloaken.
- Die Reinhaltung der Straßen und Plätze, der Häuser und ihrer Höfe, wie auch der Kloaken und Kanäle. Auch Düngerhäufen und Mistpfützen sind allenthalben, wo sich solche in der Nähe von Wohnungen befinden, von denselben zu entfernen. In Orten, wo sich Kanäle mit fließendem Wasser (Ritschen) befinden, sind diese durch den zeitweiligen Zufluß einer größeren Wassermenge zu reinigen.
Handhabung der Marktpolizei.
- Strenge Handhabung der Marktpolizei, wobei insbesondere der Verkauf und Genuß des unreifen Obstes, des zu frischen und sauren Bieres und der verdorbenen oder verfälschten Milch unnachsichtlich hintanzuhalten ist.
Lufterneuerung in den Häusern.
- Sehr fleißige Erneuerung der Luft in den Häusern durch oftmaliges Oeffnen der Fenster und nach Umständen Verbesserung derselben durch Abbrennen von Wachholderholz.
Desinfizirung der Aborte.
- Alle Aborte ohne Ausnahme, vorzüglich aber jene, deren sich eine größere Anzahl Menschen bedienen, namentlich jene der Einkehr- und Gasthäuser, der Kaffeehäuser, Fabriken, Schulen, Erziehungsanstalten, Spitäler, Eisenbahnstationen und dergleichen sind unter Beobachtung der größtmöglichen Reinlichkeit jeden zweiten Tag so lange zu desinfiziren, als die Einschleppung der Cholera durch den Verkehr zu befürchten ist, oder bis dieselbe bei ihrem allfälligen Ausbruche im Lande, wieder erloschen ist.
Desinfizirung der Ausleerungen u. der Cholerakranken.
- Ist auch die Desinfizirung (Unschädlichmachung) der den Ansteckungskeim enthaltenden Ausleerungen der Cholerakranken nicht zu versäumen. In dieser Beziehung sind der Desinfektion zu unterziehen: Das Erbrochene, der Harn und der Koth der Cholerakranken und zwar noch vor ihrer Beseitigung in den Abtritt; dann alle Geschirre, die zur Sammlung oder Aufbewahrung derselben dienten; die Wäsche, die Kleider und der Zimmerboden, die von Cholerakranken, mögen diese genesen oder gestorben sein, benutzt, resp. verunreinigt wurden.
Vorgang bei der Desinfektion der Aborte.
- Zur Desinfizirung der Abtritte wird besonders der wohlfeile Eisenvitriol (ein Salz der Schwefelsäure, Anm. Red.) empfohlen, von welchem 1 ½ Loth (gut 27 Gramm, Anm. Red.), in entsprechender Menge Wassers gelöst, durchschnittlich für einen Tag und eine Person hinreichen. Dieses Quantitäts-Verhältniß setzt jedoch voraus, daß die frischen Exkremente nicht mit alten zusammengebracht, sondern daß letztere entweder vor Beginn der Desinfektion vollständig entfernt oder schon früher durch eine größere Menge von Eisenvitriol desinfizirt worden sind.
Vorgang bei der Desinfektion der Wäsche.
- Zur Desinfizierung der Wäsche in Fällen, wo sie nicht sogleich mit siedender Lauge behandelt werden kann, wendet man anstatt des Eisenvitriols, der Rostflecken erzeugen würde, mit demselben Vortheil den etwas theurern Zinkvitriol (8 Loth auf 10 Maß Wasser [entspricht in etwa 140 g in 1,4 Liter, Anm. Red.]) an, indem man in dieser Lösung die Wäsche 1 bis 2 Stunden läßt und sie dann, sobald es geschehen kann, mit heißer Lauge behandelt.
Vorgang bei der Desinfektion der Kleidungsstücke.
- Zur Desinfizirug der Kleidungsstücke wird man anstatt der bisher üblich gewesenen, in ihrer Wirkung jedoch zweifelhaften Chlorkalk-Räucherungen am füglichsten Essig und Kreosotdämpfe (Teeröldämpfe, Anm. Red.) anwenden können, deren Entwicklung dadurch erzielt wird, daß man ein Seitel (0,35 Liter, Anm. Red.) sehr starken Essigs mit 1 Loth Kreosot (Carbolsäure) schüttelt und in einer breiten Schale über eine brennende Lampe stellt, oder daß man einige Löffel voll von dieser Mischung auf einer heißen eisernen Platte verdampfen läßt. Hierauf sollen aber solche Kleidungsstücke vor ihrem Wiedergebrauche noch mehrere Wochen lang an einem abgesonderten Orte der freien Luft ausgesetzt werden.
Wann die Desinfektion vorzunehmen ist.
- Da frische Ausleerungen selbst in den heftigsten Fällen von asiatischer Brechruhr nach allen bisherigen Erfahrungen von Aerzten und Wärtern keine Gefahr gebracht haben, so sind zur Abwendung einer Ansteckung stets unverzüglich die nöthigen Schritte für Desinfektion derselben und für Reinlichkeit vorzunehmen. In der genauen Befolgung dieser Desinfektions-Maßregeln werden demnach diejenigen, welche Cholerakranke pflegen, das beste Mittel finden, um angstlos sich dem Kranken nähern und sich vor Ansteckung schützen zu können.
Unterbringung der fremden Cholerakranken.
- Ist in größeren Ortschaften für die Unterbringung von fremden oder auch von einheimischen Cholerakranken, welche die erforderliche Hilfe in ihren Wohnungen nicht haben können, die gehörige Sorge zu tragen. Zu diesem Behufe sind daselbst die hiezu nothwendigen Lokalitäten, die möglichst abseitig von den übrigen Wohnhäusern gelegen sein sollen, auszumitteln und mit der erforderlichen Leib- und Bettwäsche, Einrichtungsstücken und sonstigen Requisiten zu versehen, sowie für die ärztliche und priesterliche Assistenz Vorsorge zu treffen. Jeder Verkehr dieser Cholera-Spitäler nach außen ist auf das Allernothwendigste zu beschränken.
Verbot der Abschiebung fremder Kranken.
- Die Abschiebung oder Weiterbeförderung schwer erkrankter hilfloser Reisender ist nicht gestattet, da abgesehen von Humanitätsrücksichten, selbst wegen der Gefahr der Verschleppung der Cholera, solchen Kranken die gehörige Pflege bei Vermeidung der gesetzlichen Ahndung zuzuwenden ist.
Sorge für die ärztliche Hilfe.
- Haben die Gemeinden für einen vollkommen ausreichenden und ununterbrochenen Sanitätsdienst zu sorgen. Wo es in Folge einer zu sehr ausgebreiteten Epidemie an ärztlicher Hilfe auf dem Lande durch die Lokalärzte mangeln sollte, wird diesem Befürfnisse nach Thunlichkeit durch die Zusendung von Ausbildungsärzten auf Staatskosten abgeholfen werden.
Krankenwärter.
- Die Gemeinden haben in Orten, wo es nothwendig ist, auch für die erforderliche Zahl von Krankenwärtern zu sorgen.
Todtengräber.
- Haben die Gemeinden dort, wo es an bestimmten Leichenträgern und Todtengräbern fehlt, auch für die Bestellung derselben zu sorgen
Anzeige des Ausbruchs der Cholera.
- Von dem Ausbruche der Cholera in einer Gemeinde ist dem Bezirks-Amte resp. Magistrate sogleich die Anzeige zu erstatten.
Arzneibedarf.
- Die Arzneien für mittelose Cholerakranke bestreitet ganz der Staatsschatz
Unterstützung der Armen.
- Da in den Häusern, in welchen Noth und Elend herrschen, die Cholera bedeutende Verheerungen anrichtet und von da aus nicht selten ihre nachtheiligen Wirkungen strahlenförmig auf die benachbarten Häuser verbreitet, so wird es im eigenen Interesse der Vermöglichen liegen, für die Unterstützung der Armen, auch noch so lange sie gesund sind, während der Dauer der Epidemie durch freiwillige Spenden, durch Sammlungen u.s.w. möglichst zu sorgen.
Kontumaz (Quarantäne, Anm. Red.).
- Das von einem Cholerakranken bewohnte Haus soll, wo es immer thunlich ist, sowohl während der Krankheits-Dauer, als auch noch einige Tage nach der Genesung beziehungsweise nach erfolgtem Tode des Kranken cernirt und während dieser Zeit der Verkehr derselben auf das absolut Nothwendige beschränkt werden.
Unterbringung der Leichen der Verstorbenen.
- Die Leichen der Verstorbenen sind wenigstens 3 Stunden nach erfolgtem Tode im Krankenbette zu belasssen, hierauf in ein passendes Lokale entweder in demselben Hause, oder wo eine Todtenkammer ist, in diese zu bringen und dortselbst durch 45 Stunden zu beobachten; inzwischen müssen aber die Wohnzimmer des Verstorbenen gelüftet, Räucherungen mittelst Essig und Kreosot vorgenommen, die Geräthe entfernt, das Bettstroh vertilgt und die Bett- und Leibwäsche, wie auch der verunreinigte Fußboden und die Bettstätte auf die oben erwähnte Art desinfizirt und gereinigt werden.
Begräbnis der Cholera-Leichen.
- Obwohl die Einsegnung und Beerdigung der Verstorbenen auf die gewöhnliche Weise geschehen darf, so ist doch darauf zu sehen, daß die hie und da noch üblichen Todtenmahle zur Vermeidung der zur Zeit dieser Epidemie besonders schädlichen Diätfehler, überball unterbleiben.
Aufstellung von Lokal-Sanitätskommissionen.
- Zur entsprechenden Durchführung und Ueberwachung der angeführten Maßregeln wird endlich verfügt, daß sich in den größeren Ortschaften des Landes unter der Leitung der k. k. Bezirksämter oder Gemeinde-Vorstände mit Beiziehung von Bezirks-, Gemeinde- oder anderen Aerzten, dann von anderen sachverständigen Vertrauenspersonen, eigene Sanitätskommissionen konstituiren, deren Mitglieder die bezüglichen Geschäfte unter sich zu theilen haben.
Innsbruck, den 1. August 1867.
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Natürlich kann man Viren sehen, zB unter einem iScat Mikroskop.
Wüsste nicht, was da so geheimnisvoll dran ist...
Diejenigen die die Existenz von Viren widerlegt haben, scheinen mir die besseren und ehrlicheren Wissenschaftler zu sein.
Es muss für die Menschen furchtbar gewesen sein. Sie hatten wohl weniger materiellen Puffer, wie wir und null Unterstützung. Die Betroffenen dürften noch weit haarsträubenderen Notlagen und Existenzkäpfen ausgeliefert gewesen sein. Wir gehören in Vorarlberg wieder zu denen, die Glück haben auf unserem Globus.