Egger Käse: „Der Käs‘, der aus dem Nebel kam“

Diesen älteren Beitrag fanden wir im Netz anhand eines newser-Hinweises – veröffentlich im Februar 2014 und geschrieben von Severin Corti

 

In einer winzigen Sennerei im Bregenzerwald wird Bergkäse von ganz und gar unüblicher Qualität gemacht

 

Auf den ersten Blick sieht der Bergkäse der Käsereigenossenschaft Hof-Messmerreuthe aus Egg im Bregenzerwald kaum anders aus als die Laibe, die, in käsebretttaugliche Portionen zerteilt, in den Kühltheken der Supermärkte auf Kundschaft warten.

 

Der Unterschied wird erst beim Kosten offenbar: wie der Geschmack am Gaumen förmlich explodiert, wie die Papillen von einer Umami-Welle geflutet werden und dennoch kein Anflug unangenehmer Schärfe das Erlebnis stört – schmeichelnde Geschmeidigkeit, weiche Fülle, die außerordentliche Kraft, die nur mit der Zeit entstehen kann.
Mindestens ein Jahr alt

Ungleich dichter ist er in der Struktur, gleichwohl aber von zartem Schmelz – immer wieder beißt man auch auf zart knirschende Salzkristalle, die im Teig eingeschlossen sind, der Geschmack kriegt dann noch einen Extrakick verpasst. Das gilt als Qualitätsmerkmal und geschieht nur bei richtig gut – und langsam – gereiftem Käse, der mindestens 18 Monate alt ist.

 

Normaler Bergkäse, oder präziser: Bergkäse aus Massenproduktion, hat nur in seltenen Fällen mehr als sechs Monate Reifezeit hinter sich, oft sind es überhaupt nur drei. Jener aus Messmerreuthe ist mindestens ein Jahr alt, es gibt ihn aber auch als Zweijährigen.

 

Neben der Zeit, die diesem Käse zum Reifen gelassen wird, sind es aber noch andere Faktoren, die diese außerordentliche Qualität gewährleisten: Dass die Milch von Kühen stammt, die silofrei gefüttert werden, ist im Bregenzerwald ohnehin Standard. Dass sie zweimal täglich warm an die Sennerei geliefert wird, aber nicht: Morgens gegen sieben bekommt Senner Horst Meusburger die Frühmilch von den Bauern, abends um 19 Uhr wird die Abendmilch angeliefert.

 

Auch, dass der Käse hier noch in hölzernen Gebsen gemacht wird, die niemals mit etwas anderem als Milch oder Molke in Berührung kommen dürfen und so von Kulturen wertvoller Bakterien besiedelt sind, ist kaum noch anderswo der Fall.
Hornvieh mit Hörnern

Es sind sechs Bauern, die an die Sennerei liefern. Einer hat nur sechs Kühe, ein anderer zwanzig. Robert Troy liegt ziemlich in der Mitte mit seinen 15 Stück Braunvieh, denen er die Hörner im Übrigen nicht abzwickt, wie das heute sonst fast überall Norm ist.

 

Weil er und zwei weitere Bauern ihre Höfe in der Streusiedlung hoch über dem Dorf bewirtschaften, wurde in den 1950er-Jahren eine Materialseilbahn gebaut, die die Milch hinuntertransportiert: Während es mit dem Auto gut fünf Kilometer über schmale, eng geschwungene Straßen hinuntergeht, bewältigt die Seilbahn die Strecke in nur 800 Metern.

 

Im kleinen, gekachelten Raum der Sennerei steht der Dunst so dicht, dass man beim Eintreten instinktiv zurückweicht: In der Wand aus weißem Dampf werden erst nach und nach die schemenhaften Umrisse von Senner Meusburger und den Landwirten Pius Dorner und Robert Troy erkennbar.

 

Es riecht nach Milch und Holzfeuer. Der Senner hat den Morgen damit zugebracht, die Abend- und Morgenmilch zu käsen. 1100 Liter waren es im Ganzen, jetzt ruhen vier Laibe à 25 Kilo unter der Presse, mittels derer die überschüssige Feuchtigkeit herausgepresst wird.

 

Holzbefeuert

Meusburger hat das Holzfeuer unter dem weiten Kupferkessel entfacht, in dem die Milch auf 30 Grad gebracht wird, bevor das Lab dazukommt. Dann wird langsam auf 52 Grad erhitzt, bis die Milch stockt, gebrochen werden kann und mit kenntnisreichen Griffen in den weiten Senntüchern eingefangen wird, die Meusburger durch den Kessel zieht. In den Gebsen, in denen die Abendmilch die Nacht über vorgereift ist, wird der Bruch in Form gepresst. Danach kommen die frischen Laibe für drei Tage in Salzlake.

 

Die verbleibende Molke wird danach auf 92 Grad gebracht, damit das restliche Eiweiß ausflocken kann, um als Sennsuppe an die bereits wartenden Dörfler ausgegeben zu werden. Die klare, diffus gelbfarbene Flüssigkeit ist mit dichten weißen Flocken durchsetzt, sie sieht nicht so aus, wie man sich etwas Genießbares gemeinhin vorstellen mag. Im Bregenzerwald ist sie seit jeher ein Lebensmittel, das traditionell zu Mittag als Vorspeise gereicht wird.

 

Süß schmeckt sie, sanft und durchaus angenehm. In Italien werden die Ausflockungen der Molke nochmals gepresst, um als Ricotta zur hochgeschätzten Delikatesse zu werden – im Bregenzerwald ist da noch keiner draufgekommen. Wobei: Stephan Gruber, der in seinen kaes.at-Ständen die wohl außergewöhnlichste Sammlung herausragender Vorarlberger Käse aus Klein- und Kleinstsennereien zusammengetragen hat, ist dem Vernehmen nach bereits dabei, diesen Schatz für seine Kunden zu heben.
Molke für die Schweine

Wenn die Sennsuppe verkauft und die Molkerei sauber aufgewaschen ist, machen der Senner und die Bauern sich daran, die verbliebene Molke wieder in die Milchkannen zu füllen und via Materialseilbahn hinauf zu den Höfen zu schaffen.

 

Mit verhaltenem Quietschen setzt sich das Seil in Bewegung, mit einem sanften Schaukeln werden die vollen Kannen den Berg hochgegondelt. Bei Robert Troy stehen nämlich sechs Schweine im Stall, und die warten schon zusehends ungeduldig auf ihr Futter.

 

Deine Meinung

  1. Das ist ein idealisierter bericht. Aber bitte wo ist es das nicht?
  2. ich nicht ein Bauernsohn wäre und wüßte wie die Realität aussieht, dann würde mich dieser Artikel vielleicht beeindrucken. Aber so ist es heutzutage. Man mag lieber den Schein als die Wahrheit hinter den Kulissen.