„Ein Virus im Dorf – Nachtrag“: Es kommt immer anders als man denkt …
… auf Nachfrage erreicht uns noch eine schöne Schilderung der „Corona-Ereignisse“ aus der Perspektive der Unternehmerwelt. Vielen Dank an Waltraud und ihr Team von Himmelgrün.
Bericht 17: „Ein Virus im Dorf – Nachtrag“: Es kommt immer anders als man denkt…
Es klang nach einem schönen Plan im März dieses Jahres. Unsere Jungs haben die Unternehmerprüfung in der Tasche, die Firmenübergabe perfekt auf Schiene. Eigentlich war noch eine Rucksackreise organisiert, nochmal ausschließlich Familie sein, entspanntes Miteinander, um den Übergang in neue Lebensabschnitte etwas zu zelebrieren. Stressfreie Zeit auf uns reduziert, denn die hatte man in den letzten Jahren in unserem Familienbetrieb selten mit dem nötigen Abstand. Dankbarkeit leben für das, was war und ist. Gemeinsam abseits von den beruflichen Herausforderungen, Erlebnisse sammeln, um irgendwann in unseren alten Tagen auf dem Bönkle unterm Baum zurückdenken zu können. Tja, so war er, unser Plan. Richtig schön und wohlverdient, meinten wir.
Dann kam die schleichende Erkenntnis, keiner wird hier noch irgendwo hinreisen. Diese Tatsache allein war nicht wirklich weltbewegend, das wäre „bodo sealbher“. Um solch persönliche Verzichtsmomente hat man noch nie „a Weaso“ (ein Wesen, welch wunderbarer Ausdruck) gemacht. Die darauffolgenden Meldungen und Informationen machten jedoch schon betroffen, denn es stand in erster Linie die Gesundheit auf dem Spiel. Unser aller wertvollstes Gut, jeder mit seinem eigenen Zugang und seiner eigenen Meinung, jeder in seinem Familiengefüge und seiner Verantwortung.
Ehrlich gesagt, um die Gesundheit meiner Lieben und um mich hatte ich nie wirklich Angst, denn mein beruhigendes Wissen, seit vielen Jahrzehnten unsere Gesundheit wirklich geschätzt und auch dementsprechend gepflegt zu haben, machte und macht mich immer noch sehr sicher und damit wahrscheinlich etwas resistent. Zusätzlich ahne ich in wirklichem Vertrauen, dass niemand auf dieser Welt diese wesentlichen Dinge tatsächlich endgültig zu beeinflussen vermag. Den Plan machen gewiss nicht wir, jedenfalls nicht bis zuletzt. Also hieß es, ganz einfach die Dinge annehmen und daheim bleiben. Auf sich selber zurückgeworfen zu werden, um sich und andere damit zu schützen. Damit hatte ich kein Problem, es hätte die Situation auch nicht geändert. Meine eigenen Gedanken dazu habe ich im März versucht, in Worte zu fassen (https://himmelgruen.at/de/blog/die-letzte-gondel). Zeit und Muße dafür war endlich einmal da.
Allerdings In zweiter Linie das allgemeine wirtschaftliche Desaster. Jeden Tag anders, ungewiss, nichts mehr planbar. Ein Schreckensszenario, unbekannt und tatsächlich auch zukunftserschütternd. Die bis dahin gewähnte Sicherheit, das Tun der letzten Jahre erfolgversprechend weitergeben zu dürfen, wurde gründlich in Frage gestellt – damit auch unweigerlich der damit verbundene jahrzehntelang-geleistete Einsatz. Die Möglichkeit eines derart zerbröselnden Planes empfand ich persönlich schon als besorgniserregend.
Unsere Umsätze fielen von heute auf morgen auf ein Minimum. Die Kunden, fast ausschließlich der Fachhandel und die Hotellerie machten zu und kämpfen seither denselben Kampf der Ungewissheit. Fachmessen wurden abgesagt. Damit gab es auch für unsere Mitarbeiter keine Arbeit mehr. Der Hauptmieter im Himmelgrün-Haus, das „Pur Fitness“, war ebenfalls aufgrund der Hygienevorschriften im ersten Blick sehr betroffen. Aber nur im ersten, wohlgemerkt, ich bin mir ganz sicher, dass die Zeit für Gesundheit und Fitness mehr denn je boomen wird. Danach!
Dennoch, plötzlich rückt wieder ein Sorgenberg in den Fokus, den man doch schon einmal abgetragen hatte, eine unausweichliche Perspektive, bei der es kein lockeres „Vorbeischauen“ gibt. Was ist der Plan? Hände in den Hosensack zu stecken und die doch auch geballte Faust nur zum Nehmen zu öffnen war noch nie unser Ding. Nein, wir wollten was dagegen tun. Also taten wir, was wir eh schon seit den ersten strategischen Diskussion im Köcher hatten: Kreativ zu sein und den Bedürfnissen der Bevölkerung und unserer gewerblichen Kunden bestmöglich nachzukommen. Es war uns ein Dorn im Auge in dieser schicksalsträchtigen Zeit, in der wir wenigstens für die Umwelt einen gewissen Erholungsfaktor als eine der wenigen positiven Begleiterscheinungen sahen, die vollkommen unzumutbare zusätzliche Vermüllung von Wegwerfmasken zu akzeptieren. Mit unseren bunten und fröhlichen „Gute-Laune-Masken“ wollten wir dagegenhalten und zusätzlich der Angst und Panik in der menschlichen Psyche entgegenwirken.
Dieser Plan erschien uns vernünftig und erfolgversprechend, mit dem ersehnten Potential, uns einige Wochen über Wasser zu halten. Vereinzelte Nachfragen hatten wir bereits von Therapie-Praxen, Gesundheit-Studios, Masseuren, und jetzt auch von den Fachgeschäften, der Hotellerie und Gastronomie, die endlich wieder öffnen dürfen. Ärmel stürmen und miteinander loslegen: Stoff hatten wir in Hülle und Fülle und das Zubehör sollte kein Problem darstellen. Ja sollte, doch das Gesetz der Maskenpflicht trat eine derartige Lawine los, dass europaweit Gummis, Kordeln, dünne Baumwolle etc. wenn nicht ausverkauft, dann nur noch zu explosiven Preisen erhältlich war. Wenn nichts mehr greift, das Gesetz der Nachfrage anscheinend doch. Trotzdem haben wir uns relativ mutig viel zu früh und in utopisch erscheinenden Unmengen eingedeckt, und das sollte sich als eine gute Entscheidung herausstellen. Denn was dann kam, sprengte jede Erwartung und erstmals beinahe unsere Leistungsfähigkeit.
Es entwickelte sich innerhalb von zwei Tagen eine noch nie dagewesene Nachfrage und damit für uns ein Karussell von Miteinander und Durcheinander, eine anfänglich unkontrollierbare Hektik, die gottlob bald zur erprobten Schnelligkeit wuchs: Neue, unerprobte Arbeitsabläufe und Produktionsstraßen, Sekundenentscheidungen bei allen auftretenden Fragen und Problemen. Über 30! neue maskierte Mitarbeiter, von denen wir erstmals nur die Augen sahen. Kein Kennenlernen oder ein Einlernen. Vertrauensvorschüsse, Grenzen der Belastbarkeit bei allen, Begeisterung, aber auch manche Ernüchterung.
Jedenfalls seither sind wir „chaosresistent“ und so manche Szene wäre kabarettreif gewesen.
Hinterher kann ich sagen, in über 20 Jahren Firmengeschichte waren Situationen und Eindrücke noch nie derart tief, ehrlich und oft erfreulich in jeder Hinsicht. Wir haben alle unsere Mitarbeiter, auch ehemalige, von einer krisenfesten Seite kennengelernt, die uns bestätigt hat, ein echtes, starkes Team zu sein. Eine Welle der Solidarität von Menschen, die einfach dastanden und helfen wollten. Freunde, unzählige spontan-Näherinnen, Zuschneiderinnen, Gummiablänger, Etikettenschneider, Bügler, Verpacker, Redakteure, Chauffeure. Jeder Einzelne, der seinen Beitrag geleistet hat, weiß, wovon die Rede ist. Jeder weiß, dass er gemeint ist, und ich vermute von den „leisesten Helfern“, dass sie eigentlich gar nicht erwähnt werden wollen. Alleine hätten wir das nie geschafft. DANKE!
Unsere unzähligen Kunden haben eine Engelsgeduld bewiesen, vor allem an den Tagen, an denen uns die Masken förmlich unter den Nähmaschinen rausgeholt wurden. Abstand, Anstand, (auch anstehen) und gegenseitiger Respekt waren im Vordergrund. Absolute Ehrlichkeit an unserer kontaktfreien Verkaufsstation war einfach selbstverständlich. Jetzt ist alles wieder angenehmer, wir sind vorbereitet und damit voll leistungsfähig. Der Fabriksverkauf ist zusätzlich wieder offen.
Wir hatten wohl das nötige Quäntchen Glück in der Krise, die genauso als Katastrophe hätte enden können. Diese spontane Aktion hat uns als regionaler Familienbetrieb, den Arthur und ich über viele Jahre aufgebaut haben, dann mit unseren Söhnen Philipp und Pascal im Boot mit wichtigen neuen Perspektiven vergrößern konnten, über die vergangenen Wochen und etwas darüber hinaus vielleicht gerettet. Was kommt, bleibt dennoch unplanbar. Ich hoffe in meiner bescheidenen Einschätzung der Situation richtig zu liegen, da ich fest daran glaube, dass ethisch gepolte Unternehmen, Regionalität, Nachhaltigkeit, Umweltschutz und angestrebtes Gemeinwohl das Konsumverhalten mehr denn je beeinflussen werden. Dass die Menschen auch hinter die Fassaden sehen, gerade jetzt. Weil Probleme auch sensibel machen, aufdecken und Wesentliches beleuchten. Und weil eben nicht alles so unglaublich selbstverständlich ist. Unabhängig von unserer kleinen Geschichte hier, wage ich außerdem jetzt einfach mal mutig zu denken, dass die Gesundheit bei den Menschen an Wertigkeit gewinnt und dass es den Menschen bewusster wird, was alles in ihrer Hand liegt und vor allem was nicht!
Waltraud Heidegger, Fa. Himmelgrün
Bereits veröffentliche Berichte werden von uns ins Archiv verschoben, sind aber weiterhin hier für euch verlinkt:
Bericht 15: Hansore Sutterlüty (41), Mexico City
Bericht 14: Stefan Hagen (42), Unternehmensberater, Lingenau
Bericht 13: Yvonne Waldner (23) Studentin für Translationswissenschaft in Ibk, Gebatz
Bericht 12: Ulli Troy (67), AHS-Lehrer in Pension und Musiker, Rain
Bericht 11: Norbert Mayer (62), VS-Lehrer und Literat, Großdorf
Bericht 10: Carmen Willi, Leiterin VS Egg, Hof
Bericht 9: Hugo Waldner (72), Bauer und Alt-Vizebürgermeister, Freien
Bericht 8: Magdalena Vögel (36), Personalentwicklerin und Mama, Schwarzenberg
Bericht 7: Samuel Schwärzler (27), und Vize-Obmann des FC Egg, Rain
Bericht 6: Friedl Kaufmann, Pfarrer von Egg und Großdorf
Bericht 5: Jürgen Zengerle (29), Krankenpfleger in KH Dornbirn, Hof
Bericht 4: Lisa Schmidinger (28 Jahre), Krankenpflegerin, Wohnort Schmarütte
Bericht 3: Wilhelm Sutterlüty (63), Geschäftsführer Sozialzentrum Egg, Schmarütte
Bericht 2: Marcel Simma , Schüler der HTL Dornbirn, Stadel
Bericht 1: Brigitte Bereuter (40), Gemeindeangestellte, Mutter und Hausfrau, Rain
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Corona - ein Virus im DorfDeine Meinung
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Großartiger Bericht! Gratualtion!
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könnte dennoch stimmen, dass die Menschen auch hinter die Fassaden sehen ....
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die Menschen auch hinter die Fassaden sehen....
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Kann mich Applaus nur anschließen.
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Wow, super Bericht, Hammer Einstellung. Würde mich freuen, wenn du deine Gedanken öfters öffentlich machst!
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Gratulation zu diesem tollen Bericht.
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wow,vor allem der letzte absatz feand i supr!!!wär schöa,wenn deas möglichst viele unternehmen so seah tätan...huat ab vor so a unternehmerischen instellung.danke (s danke bezüht sich vor allem uf dia zukünftiga generationa - kindr - dia kond)!