„Ein Virus im Dorf“ – Yvonne Waldner berichtet (Bericht #13)
Quarantäne-Dolmetschen oder Corona-Krise aus der Sicht einer Studentin.
„Ein Virus hat unser aller Leben verändert. Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Ausbreitung getroffen wurden, bestimmen nun unseren Alltag. Jede Person macht ihre eigenen Erfahrungen – Erfahrungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
In Zusammenarbeit mit Georg Sutterlüty haben wir ein Projekt gestartet. Wir wollen wissen, wie Eggerinnen und Egger (sowie einzelne BregenzerwälderInnen umliegender Gemeinden) mit der Krise umgehen: Was hat sich in ihrem Leben verändert, welche Herausforderungen gibt es und was erhoffen sie sich nach Beendigung dieser schwierigen Phase? Wir haben ganz kunterbunt nach Personen gesucht, die bereit sind, ihre persönliche Geschichte zu schildern. Wir beginnen mit dem ersten Bericht und wollen jeden zweiten Tag den nächsten veröffentlichen.
Bereits veröffentliche Berichte werden von uns ins Archiv verschoben, sind aber weiterhin hier für euch verlinkt:
Bericht 12: Ulli Troy (67), AHS-Lehrer in Pension und Musiker, Rain
Bericht 11: Norbert Mayer (62), VS-Lehrer und Literat, Großdorf
Bericht 10: Carmen Willi, Leiterin VS Egg, Hof
Bericht 9: Hugo Waldner (72), Bauer und Alt-Vizebürgermeister, Freien
Bericht 8: Magdalena Vögel (36), Personalentwicklerin und Mama, Schwarzenberg
Bericht 7: Samuel Schwärzler (27), und Vize-Obmann des FC Egg, Rain
Bericht 6: Friedl Kaufmann, Pfarrer von Egg und Großdorf
Bericht 5: Jürgen Zengerle (29), Krankenpfleger in KH Dornbirn, Hof
Bericht 4: Lisa Schmidinger (28 Jahre), Krankenpflegerin, Wohnort Schmarütte
Bericht 3: Wilhelm Sutterlüty (63), Geschäftsführer Sozialzentrum Egg, Schmarütte
Bericht 2: Marcel Simma , Schüler der HTL Dornbirn, Stadel
Bericht 1: Brigitte Bereuter (40), Gemeindeangestellte, Mutter und Hausfrau, Rain
Kommentare sind erwünscht, doch bitten wir aus Rücksicht auf die Autoren, den vollen Namen sowie den Weiler, in dem ihr wohnt, anzugeben.“
Bericht 13: Yvonne Waldner – Quarantäne-Dolmetschen oder Corona-Krise aus der Sicht einer Studentin
Anfang März: Die erste Woche an der Universität hatte begonnen. Zuvor hatten wir schon drei E-Mails bezüglich „Informationen für Studierende zum Coronavirus“ erhalten. Anfangs wurde darin über den Gesundheitszustand der damaligen ersten zwei Patienten in der Universitätsklinik aufgeklärt. Später folgten E-Mails mit konkreteren Maßnahmen, die wir wohl alle bereits auswendig wissen: Sich an Hygienevorschriften halten, bei Symptomen eines grippalen Infekts zu Hause bleiben, soziale Kontakte reduzieren, bei Rückkehr aus Risikogebieten sich in Isolation begeben. Abgesehen von den täglich bis zu zweimal aktualisierten Updates schien die erste Uni-Woche wie gewohnt abzulaufen. Nur die Anzahl der Studierenden schien zu schrumpfen. Kein Wunder: In einem Translationswissenschaftsinstitut mit einem beträchtlichen Prozentsatz an italienischen Studenten wirken die Gänge bei deren Abwesenheit beinahe bedrohlich leer. Dass Lehrveranstaltungen wegen dem Virus abgesagt werden würden, kam damals noch nicht in Frage – vorerst.
Schließlich wurde Südtirol als Risikogebiet eingestuft und in Italien Quarantäne verhängt. „Wenn sie s‘Südtirol schließen, dauert’s nicht mehr lange, bis sie die Uni schließen. Spätestens am Mittwoch läuft nichts mehr“, behauptete mein Mitbewohner. „Als ob“, entgegneten meine Mitbewohnerin und ich. „Allerdings hätten wir nichts gegen verlängerte Semesterferien einzuwenden“, fügten wir halb im Scherz, halb im Ernst hinzu. Bei einem abendlichen Spaziergang kamen wir nochmal auf das Thema zu sprechen. Vielleicht würden wir dadurch alle Kurse angerechnet bekommen, vielleicht würde das alles für uns von Vorteil werden? Der Gedanke daran erheiterte uns. Meine Mitbewohnerin meinte noch: „Hoffentlich können wir in den nächsten Wochen auch noch darüber lachen.“
Mein Mitbewohner sollte Recht behalten. Am nächsten Montag kam die Information, dass die Universität Innsbruck auf „Distance Learning“ umstellen würde. Stört mich eh nicht, dachte ich. Am Wochenende fuhr ich nach Hause und blieb dort, da in der darauffolgenden Woche eine Ausgangssperre in Tirol verordnet wurde. Seit jeher sitze ich also in meinem Elternhaus in Egg-Großdorf und strukturiere meinen „Studienalltag“ – mehr oder vielleicht eher doch weniger erfolgreich. Das liegt allerdings nicht an der Fernlehre selbst. Als introvertierter Mensch fällt mir schließlich die Decke nicht so schnell auf den Kopf. Zudem haben die meisten Professoren – vorbildlich wohlbemerkt – schnell und flexibel auf die Situation reagiert und uns brav mit Arbeitsaufträgen und Online-Vorlesungen versorgt, Deadlines inklusive. Meine mangelnde Motivation ist auf meine dürftige Fähigkeit, mir selbst etwas Neues beizubringen, zurückzuführen. Vor allem, wenn es sich dabei um anspruchsvolle Fertigkeiten wie Dolmetschen handelt. Und dennoch sitze ich hier und versuche, mir die hohe Kunst des Konsekutiv- und Simultandolmetschens selbst anzueignen, mit Laptop und der Aufnahmefunktion auf meinem Smartphone bewaffnet. Seine eigene Stimme anzuhören ist schon unangenehm genug, aber diese auch noch kritisch zu analysieren? Sehr unbehaglich.
Nebenbei eröffnen sich mir wichtige und weniger wichtige Fragen wie „Wie werden Prüfungen ablaufen?“, „Bleib ich daheim bei Garten und Familie oder gehe ich der Miete wegen doch nach Innsbruck, jetzt, wo die Ausgangssperre aufgehoben wurde?“ und „Überleben meine Pflanzen bei meinem Mitbewohner?“.
Yvonne Waldner (23) Studentin für Translationswissenschaft in Innsbruck, Gebatz
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Corona - ein Virus im Dorf